Manchmal passieren Sachen, die kann man sich ja so gar nicht ausdenken. „Das hätte man sich ja so gar nicht ausdenken können,“ sagt man dann später zueinander und bestellt sich noch ein Glas Weißwein. Es sei denn, man ist ein finnischer Filmregisseur. Oder Lennardt Loß, Braunschweiger, Preisträger, freier Mitarbeiter der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, der bei Instagram neben einer Katze namens Jens sitzt.
Sein Debütroman UND ANDERE FORMEN MENSCHLICHEN VERSAGENS ist mein neues Lieblingsbuch, und das nicht nur aufgrund des abgefahrenen Titels oder meiner laienhaften Begeisterung für Oktopoden. Sondern deswegen, weil das Buch sich liest, als hätte man die komprimierte Ironie des Schicksals mit ein paar verkrachten Existenzen verfilmt – und das finde ich zum Totlachen komisch.
Zur Story: Ein Flugzeug stürzt über dem Pazifik ab, an Bord die 22-jährige Marina Palm, die ihren Vater in Brasilien besuchen wollte. Stattdessen treibt Marina jetzt aber auf Sitz 9A im Meer dahin, bis am Rande des Horizonts eine Insel auftaucht. Mit von der Partie ist der Zahntechniker Hannes, der eigentlich gar kein Zahntechniker ist und genau genommen auch nicht Hannes heißt. Und hier bricht Marinas Geschichte erst einmal ab.
Literarischer Kameraschwenk. Loß nimmt uns mit in die Leben anderer Menschen, die alle mit Marinas Biographie verbunden sind: Ihre Mutter, die groß ins Splatter-Filmgeschäft einsteigen will. Ihr Vater, der Parkhauspapst von Brandenburg. Das Handmodell, das lieber Waschbären ausrottet. Der Boxer, der seiner großen Liebe nachtrauert. Und eben Hannes, der als Zahntechniker untertaucht und als RAF-Terrorist wieder auftaucht.
Alle Geschichten zusammen ergeben ein wirklich abgefahrenes Kleinkunstwerk aus Alltagswahnsinn und so beknackten menschlichen Entscheidungen, dass das Gesamtkonstrukt am Ende vollkommen folgerichtig rüberkommt. Anders darf so ein Leben ja auch gar nicht ablaufen, denkt man. Und: Das hätte man sich ja so eigentlich gar nicht ausdenken können. Es sei denn.
Das Buch | Und andere Formen menschlichen Versagens |
Der Autor | Lennardt Loß |
Der Verlag | weissbooks.w |
Gebundene Ausgabe | Februar 2019, 155 Seiten |
Wo du es lesen solltest | Im Flieger |
Was du dazu tragen solltest | Eine Schwimmweste |
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